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Binder are back

Der Experte für Geschäftskleidung, Jörg Ceral, über Krawattenfarben, ihre Bedeutung und warum Kleidung über Karrieren entscheidet.

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© Robert Michael

Von Ines Mallek-Klein

An Donald Trump kommt keiner vorbei, auch nicht Jörg Ceral. Trump ist das aktuelle Lieblingsbeispiel des Experten für Geschäftskleidung. Der neue amerikanische Präsident fällt nicht nur durch seine unverblümten Äußerungen auf, sondern auch durch seine Krawatten. Beim Schlips setzt Trump auf Rot, Blau oder eben eine Mischung aus beiden. Und er bindet seine Krawatte grundsätzlich unübersehbar zu lang, obwohl eine Krawatte auf der Gürtelschnalle enden sollte. „Das ist eben eine Botschaft, die auf seiner Selbsteinschätzung basiert“, sagt Jörg Ceral, der in Dresden mit Trentano ein Unternehmen für Geschäftskleidung betreibt und es wissen muss.

Ceral steht als Referent der Creditreform an diesem eher trüben Wintertag vor einem halben Dutzend Unternehmern und Angestellten. Sie sind der Einladung von Creditreform gefolgt und wollen wissen, wie man sich im Businessalltag perfekt kleiden kann. Denn besser geht immer, sagt Ceral. Er trägt einen dunkelblauen Anzug, reine Schurwolle versteht sich, braune Schuhe, passend zum braunen Gürtel, und blau-brauner Krawatte, die mit dem Einstecktuch korrespondiert. Der Look ist edel, elegant, ohne übertrieben zu wirken, und schon allein deshalb ein Stück weit zeitlos.

„Es gab Zeiten, da war ich weit weniger elegant unterwegs“, erzählt der Referent, wie er zum Experten für Businessmode geworden ist. Gelernt hat er in der Semperoper als Tischler. Nach seinem Militärdienst absolvierte er eine Ausbildung als Versicherungskaufmann, um dann im Auftrag der Allianz die Dresdner Hypobank-Kunden zu betreuen. Das war die Zeit, als er endgültig die Jeans mit dem Anzug tauschte. Der wurde noch ein wenig dunkler und seriöser, als Ceral zur Immobilien-Tochtergesellschaft der Hypobank wechselte und sein Diplom als Immobilienwirt erwarb. Und hier hatte er auch sein Schlüsselerlebnis. Es ging bereits am zweiten Tag um ein Bauträgerprojekt über einige Millionen D-Mark, der erste große Abschluss für den Neuling. „Ich kaufte mir für den Außer-Haus-Termin einen teuren Leinenanzug in ultramarinblau mit Stehkragen und Metallknöpfen“, erinnert sich Ceral. Die anderen Herren am Tisch trugen schwarz. Der Vertrag wurde durchgesprochen und unterschrieben, alles schien perfekt, als der Chef von Jörg Ceral auf ihn zukam. Er nahm den Berufseinsteiger väterlich zur Seite, sagte viele freundliche Worte und dann diesen einen Satz: „Sie sehen aus wie ein Ossi.“

Die größten Modesünden

Oberhemden ohne Unterhemd: Das Unterhemd soll keinesfalls wärmen, sondern nur Durchschwitzen vermeiden. Wenn das Unterhemd bei weißen Oberhemden etwas durchscheint, ist dies gesellschaftlich akzeptiert.

Zeigen, was ich liebe: Wer im Auftrag seiner Firma unterwegs ist, sollte nicht für andere Unternehmen Werbung machen. Großflächige Prints und Labels sind – auch von Marken – tabu.

Das Hemd sollte immer vom oberen Kragenknopf geschlossen sein und nicht von der Krawatte zugezogen werden. Ohne Krawatte bleibt der oberste Kragenknopf geöffnet.

Kurze Socken unter dem Anzug; sieht ja keiner. Spätestens im Sitzen rutscht die Hose hoch und das Bein ist zu sehen. Männer sollten unter Anzughosen deshalb möglichst immer Kniestrümpfe tragen.

Minirock ist schick: Das Knie sollte im Geschäftsleben durch den Rock bedeckt sein.

Schwarz und eng macht schlank: Egal, ob Frau oder Mann, wer etwas korpulenter ist, sollte eher weitere Kleidung bevorzugen, gerne auch in helleren Farben.

Sommer, Sonne, schulterfrei: Schulterfreie Kleidung ist im Büro grundsätzlich tabu. Sowohl Frauen als auch Männer sollten wenig Haut zeigen. Eine Alternative sind locker sitzende Outfits aus Naturmaterialien wie Seide oder Leinen.

Jeans zum Sakko: Jeans eignen sich im Büroalltag, aber bitte so dunkel wie möglich und ohne auffällige Ziernähte. Dazu kann Mann einen Blazer mit einem Einstecktuch kombinieren. Ein Blazer sollte sich sich beispielsweise mit seinen aufgesetzten Taschen und besonderen Knöpfen vom gewöhnlichen Sakko sichtbar unterscheiden.

Der Ärmel bzw. die Manschette vom Hemd endet an der Daumenwurzel, nicht auf dem Handrücken. Das Sakko endet etwa einen bis zwei Zentimeter darüber, sodass immer etwas Hemd aus dem Sakkoärmel herausschaut.

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Ceral war zuerst beleidigt, folgte dann aber doch der Einladung zu einem Einkauf bei Breuninger. „Das war nicht gut für meine Kreditkarte, aber ich habe viel gelernt und bin ihm immer noch dankbar dafür“, erinnert sich Jörg Ceral heute. Es dauerte noch einige Zeit, bis er vom Immobilien- ins Textilgeschäft wechselte. Eine unglückliche Geschäftspartnerschaft beschleunigte dabei seinen Entschluss. Zudem wurde innerhalb seiner Familie ein Nachfolger für einen Textilhandel gesucht. Dort wurde nicht nur gehandelt, sondern auch in geringem Umfang gefertigt – vor allem Krawatten.

Die haben in den letzten Jahren an Bedeutung eingebüßt, sind in einigen Branchen regelrecht verpönt, kehren aber jetzt langsam wieder in die Büros zurück. Wie viele Krawatten braucht ein Mann eigentlich? 10 bis 20 reichen aus, selbst wenn man sich das seidige Accessoire tagtäglich umbinden muss, sagt Jörg Ceral. In den Kleiderschrank gehören sie in den Farben Rot, Blau und für festliche Anlässe Grau. Dies gern auch in verschiedenen Farbtönen und Schattierungen. Je gedeckter die Farbe, desto seriöser die Erscheinung ihres Trägers. Und die Wahl der Krawattenfarben hängt dabei nicht nur von den Farbnuancen des restlichen Outfits ab. Sie ist auch eine Botschaft. Rot steht für Angriff, Stahlblau – was übrigens Donald Trumps Amtsvorgänger Barack Obama bevorzugte – symbolisiert Dominanz. Von Chefs, die hellblaue Krawatten tragen, geht meist keine Gefahr aus, sagt Jörg Ceral. Wenn allerdings ein Gewerkschaftsboss mit hellblauer Krawatte zu den Tarifgesprächen eile, dann stimme etwas nicht.

Während der Durchschnittsdeutsche in den vergangenen Jahren an Umfang zugelegt hat, sind die Krawatten wieder schmaler geworden. Fünf bis sieben Zentimeter ist die im Handel verfügbare Größe. Chefs sollten eher die etwas breitere Variante wählen, denn zu schmale Binder könnten auf mangelnde Kompetenz hindeuten.

Die Knoten der Krawatten können durch Stärke des Innenfutters, die Festigkeit des Zuziehens und natürlich die Art des Knotens variieren. Es gibt gut 50 verschiedene Varianten, eine Krawatte zu binden. Jörg Ceral empfiehlt den Trägern, in jedem Fall die Krawatte am Abend wieder aufzuknoten, damit sich der Stoff erholen kann.

Die normale Krawatte misst übrigens 153 Zentimeter. Im Handel ist jedoch oft nur die 148-Zentimeterlänge zu bekommen. „Viele Modelle werden in Asien gefertigt, und dort sind die Männer kleiner“, so der Modeexperte. Männer, die mehr als 1,89 Meter messen oder große Knoten mit viel Stoffverbrauch mögen, sollten eine XL-Krawatte mit 163 Zentimetern kaufen, damit das schmale Ende durch die Schlaufe an der Innenseite – das Passantino – gefädelt werden kann.

Jörg Ceral, der rund 20 000 verschiedene Krawatten in seinem Lager vorrätig hat, warnt aber auch. Von einer Krawatte kann eine echte Gesundheitsgefahr ausgehen. Wird sie zu eng gebunden, beeinträchtigt das den Blutdurchfluss der Hals-Arterie, und eine Unterversorgung des Gehirns kann die Folge sein. Auch Männer mit erhöhtem Augeninnendruck sollten auf die Enge ihrer Krawatte achten und, wann immer möglich, den Binder ablegen oder ganz darauf verzichten. Andererseits gibt es auch Gefahren für den Binder. Der Autogurt gilt als echter Schlipskiller, genauso wie der Fleckenteufel. Ist eine Krawatte bekleckert, kann man versuchen, sie in lauwarmem Wasser mit einigen Spritzern mildem Haarshampoo einzuweichen. Fleckenfreie Erfolge sind aber äußert selten, sagt Jörg Ceral, der dazu rät, sich bei wichtigen Geschäftsterminen schon am Vortag Zeit zu nehmen, um das Outfit auszuwählen – und auch eine Reserve-Krawatte im Büro oder Auto zu deponieren. Nur wer sich bewusst für ein Outfit entscheidet, fühlt sich sicher und wohl. Deshalb empfiehlt der Modeexperte auch, bei besonders wichtigen Terminen keinen ganz neuen Anzug zu tragen. „Sie müssen den Anzug kennen, der Anzug muss Sie kennen“, so sein Tipp.

Wer unternehmerisches Neuland betritt, kann vor seinem Termin den Dresscode über die Sekretärin erfragen lassen, und bei Geschäften mit Partnern aus Amerika, England oder Japan gilt grundsätzlich: „So gedeckt und konservativ wie möglich.“ Der Dresscode in Südamerika wird hingegen oft unterschätzt. Ein guter Anzug sei beispielsweise in Chile, wo Jörg Ceral einige Zeit verbrachte, Pflicht.

Ohnehin schneidet das Modeland Deutschland im internationalen Vergleich eher durchschnittlich ab. „Das sehen Sie in der Werbung und auch bei vielen Politikern“, so Ceral. Denn während wir oft von der Stange kaufen, lassen sich die Italiener ihre Hosen immer auf Länge anpassen. „Es sind diese kleinen Details, die den Unterschied machen“, weiß der Experte, der deshalb auch nicht jedem Manager gleich zum Maßanzug rät. „Man kann durchaus von der Stange kaufen, sollte dann aber das Geld investieren, um den Anzug beim Maß-Schneider perfektionieren zu lassen.“ Ein echter Maßanzug aus gutem italienischem oder englischem Tuch, nicht zu verwechseln mit Maßkonfektion, kostet meist deutlich mehr als tausend Euro.

Jörg Ceral ist überzeugt, „Mode schlägt Kompetenz“ und hat damit natürlich Einfluss auf die Karriere. Mode ist wechselhaft und launisch, konservatives Outfit strahlt hingegen Beständigkeit und Sicherheit aus. Ein Gewerkschafts-Chef, der in stressige Tarifverhandlungen einsteigt, hat an den Vortagen nicht nur viel geschlafen und seinen Körper mit Obst fit gemacht. Er trinkt am Tisch auch basisches Gerolsteiner, verzichtet auf Kaffee und trägt unter seinem Hemd kein normales T-Shirt, sondern ein hauchdünnes Business-Shirt, das Schweiß aufsaugt, ohne zu wärmen. Diese speziellen Verhandler-Outfits aus reinen Naturmaterialien machen am Ende die fünf oder zehn Prozent Durchhaltevermögen aus, welche den Erfolg jeder Verhandlung beeinflussen.

Für den Modeexperten aus Dresden steht fest: „Es ist nie verkehrt, besser angezogen zu sein als die graue Masse.“ Jeder hat natürlich auch das Recht, gegen alle Etiketten zu verstoßen. Er müsse dann aber auch mit den entsprechenden Konsequenzen leben.

„Eine wichtige Zutat im Geschäftsleben ist eben nicht nur das Outfit, sondern auch der respektvolle, freundliche und tolerante Umgang miteinander“, so Jörg Ceral.