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Bezahlt – und nicht geliefert

Kunden und Verbraucherschützer warnen vor einem Dresdner Online-Shop für gesundes Essen. Der Betreiber beteuert, er sei kein Betrüger. Beschwerdeplattformen ergeben ein ganz anderes Bild.

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Von Andreas Rentsch

Dresden. Sucht man auf einschlägigen Beschwerdeplattformen im Internet nach „Uhlig Resonance“, fällt das Urteil oft eindeutig aus. Reclabox beispielsweise listet weit über 200 Einträge. „Bezahlt, Ware nicht geliefert“, steht da, „Achtung Abzocker“ oder „Bin betrogen worden“. Uhlig Resonance ist der Name eines Online-Shops, der von Dresden aus Bio-Essen, Nahrungsergänzungsmittel, Naturkosmetika und ähnliches vertreibt. Als Firmensitz wird eine Adresse im Stadtteil Cossebaude genannt. Ökobewusste Kunden können hier Chiabrei, Ginseng-Creme oder veganes Milchpulver für Babys ordern.

Es werde jedoch nicht jeder Besteller zuverlässig beliefert, warnen die Verbraucherzentralen. In deren Marktwächter-Netzwerk „Digitale Welt“ sammeln sich seit Monaten Beschwerden von Menschen, die per Vorkasse bezahlt, aber nur teilweise, deutlich verspätet oder gar nicht beliefert wurden. Auch die Staatsanwaltschaft Dresden beschäftigt sich mit der Angelegenheit. Es gebe zwei Verfahren, sagt deren Sprecher Lorenz Haase. Eines resultiere aus Anzeigen von 110 Betroffenen, im anderen sind knapp 50 Fälle gebündelt. „Die Ermittlungen laufen noch“, so Haase. Die hiesige Polizeidirektion bestätigt auf Anfrage der SZ, der Shop-Betreiber sei im März von der Kripo vernommen worden. Gestoppt wurde der Geschäftsbetrieb danach nicht.

Laut Impressum wird die Plattform von Mathias Uhlig betrieben. Versuche der Redaktion, ihn zu kontaktieren, laufen zunächst ins Leere. Der Anschluss, unter der sein Shop erreichbar sein soll, ist dauerhaft besetzt. Auf E-Mails reagiert niemand. Der letzte Anlauf: ein unangemeldeter Besuch vor Ort. Auf das Klingeln am Lieferanteneingang hin öffnet ein Mitarbeiter. Sekunden später tritt Uhlig hinzu – ein hagerer Mittvierziger. In dem halbstündigen Interview, das dann folgt, schildert der gebürtige Leipziger seine Sicht der Dinge. Schnell wird deutlich, dass es sich nicht um einen klassischen Fall von Vorkassebetrug über einen „Fake-Shop“ handelt, den man zunächst vermuten würde. „Ich bin kein Verbrecher“, beteuert der 46-Jährige. „Wenn es Betrug wäre, dann hätte ich das Geld. Habe ich aber nicht. Ich habe gar nichts mehr.“

Im Sommer vorigen Jahres hätten seine Probleme begonnen, sagt Uhlig. „Da hat sich das Finanzamt wegen einer Sonderprüfung gemeldet.“ Nichts Ungewöhnliches, schließlich habe das Geschäft im Jahr zuvor geboomt. Doch dann sei nach und nach herausgekommen, dass Umsatzsteuer in fünfstelliger Höhe nicht angemeldet worden war. Der Fehler habe beim von ihm beauftragten Steuerbüro gelegen, behauptet der Einzelunternehmer. Es folgten Bescheide mit Nachforderungen, Strafzahlungen – das übliche Programm. Als Uhlig die vereinbarten Ratenzahlungen nicht mehr fristgemäß leistete, wurde gepfändet. „Das waren rund 60 000 Euro.“

Geld, das dem Online-Shop-Betreiber fortan beim Einkauf von Waren und zum Bezahlen der Mitarbeiterlöhne fehlte. Kunden, die bestellt hatten, bekamen ihre Ware verspätet – oder gar nicht. So hat es beispielsweise Barbara M. aus Berlin erlebt. „Mails wurden nicht beantwortet. Mehrfach habe ich angerufen, es ging aber weder ein Anrufbeantworter an, noch war jemand erreichbar“, berichtet die Kundin. Einzige Reaktion auf ihre Bestellung sei eine Rechnung mit dem Hinweis gewesen, man behalte sich Teillieferungen vor. Schließlich habe sie einen Anwalt und die Verbraucherzentrale kontaktiert.

Mitarbeiter des Marktwächter-Projekts „Digitale Welt“ haben Uhlig Resonance im Mai zu einer Stellungnahme aufgefordert. Der Betreiber habe daraufhin gebeten, die geschilderten Beschwerden mit Bestellnummern zu konkretisieren, um für diese Fälle Lösungen zu finden, sagt Referentin Maike Lück. Ein weiterer Brief mit den gewünschten Angaben sei dann im Juni mit dem Post-Vermerk „Annahme verweigert“ zurückgekommen. Uhlig bestreitet, derlei Schreiben überhaupt gesehen zu haben.

Beim Besuch des SZ-Reporters in seinem Büro stapeln sich ungeöffnete Briefe in einer Kiste – offenbar viel Post von Anwälten und Inkassobüros. Uhlig gibt sich trotzig. „Es werden alle Kunden beliefert“, sagt er. „Wenn man mich lässt.“

Ware, das zeigt ein Blick ins Lager, ist vorhanden. An Angestellten, die ihm helfen könnten, fehlt es allerdings. Derzeit sind eine 450-Euro-Kraft und ein Zeitarbeiter zugange. „Ich selber arbeite jeden Tag 14 Stunden, teilweise auch am Wochenende.“ Er schreibe Verluste, Rücklagen aus besseren Zeiten seien weg. Zahlungsdienstleister wie PayPal, aber auch Banken, haben die Geschäftsbeziehungen beendet.

Warum meldet man unter solchen Umständen nicht Insolvenz an? „Weil hier mein Herzblut drinsteckt“, sagt Mathias Uhlig. Das Finanzamt habe bereits angekündigt, an seiner Stelle die Insolvenz anzumelden, sobald die Umsatzsteuer nicht mehr überwiesen wird.

Hinderlich für einen Neustart dürfte auch das ramponierte Image im Internet sein. Wer bei Google „Uhlig Resonance“ eintippt, bekommt als weiteren Suchbegriff automatisch „anzeigen“ vorgeschlagen. Auf der Plattform Trustpilot erhält der Online-Shop 0,4 von zehn möglichen Punkten. Ein verzerrtes Bild, klagt Uhlig: „Die Leute schreiben ja nicht ,Alles super‘ rein, wenn sie was bekommen haben.“

„Die Fakten sprechen gegen ihn“, heißt es dagegen bei den Verbraucherschützern. Es seien schlicht überdurchschnittlich viele Beschwerden aufgelaufen. Sachsens Verbraucherzentrale sieht Uhlig Resonance daher als einen Kandidaten für den „Prellbock 2017“. Mit diesem Schmähpreis, der alle zwei Jahre verliehen wird, soll auf unseriöse Geschäftspraktiken hiesiger Firmen aufmerksam gemacht werden.