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Begehrte Knatterkisten

Alte Simsons haben an Wert gewonnen. Dafür gibt es mehrere Gründe – und steigert die Lust der Diebe.

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© Norbert Millauer

Von Franz Werfel

Riesa. Der jüngste Fall liegt nicht mal eine Woche zurück: Am Dienstagnachmittag wurde eine graue Simson an der Rostocker Straße gestohlen. Der Wert des Kult-Mopeds: stolze 1 900 Euro. Dass die Knatterkisten, die nach der Wende gern mal für einen Kasten Bier den Besitzer wechselten, bei Dieben beliebt sind, zeigt auch die Statistik: Bislang wurden in diesem Jahr zwölf „Simmen“ im Revier der Riesaer Polizei gestohlen, allein in der Stadt Riesa wurden drei entwendet. Im vergangenen Jahr wurden sogar zwölf Simson-Mopeds gestohlen – laut Polizei so viele wie in keiner anderen Stadt im Landkreis.

Einer, der sich von Berufs wegen auskennt mit dem Thema, ist Jens Parsiegla. Der 53-Jährige betreibt seit sieben Jahren seine kleine Werkstatt in Heidenau. 2-Takt-Parsiegla heißt sie. Den geschützten Namen „Simson“ darf er offiziell nicht verwenden. Genauso wie Helga Bley von der gleichnamigen Werkstatt auf der Riesaer Goethestraße hat auch Jens Parsiegla beobachtet, dass in den vergangenen Jahren mehr Mopeds gestohlen wurden – gerade auch alte Simsons und darunter insbesondere Schwalben aus der DDR.

„Der Simson-Boom ging vor drei Jahren richtig durch die Decke“, sagt er. Seit ein paar Jahren wurden Mopeds wieder interessant. Warum, liegt für Parsiegla auf der Hand. „Die Zeit zwischen Fahrrad und dem Führerschein fürs Auto decken viele Jugendliche heute wieder mit dem Mopedführerschein ab.“ Diesen kann man schon mit 15 Jahren machen. Der gelernte Kfz-Schlosser hat noch etwas beobachtet, er nennt es „die Wiederentdeckung der Väter“. Männer zwischen 35 und 50 zeigen jetzt ihren Söhnen, was für tolle Maschinen sie in ihrer Jugend gefahren haben.

Mit ihrem 50-Kubikzentimeter-Hubraum können sie bis zu 45 Stundenkilometer fahren. Aber: Simsons, die bis Februar 1992 gebaut und zugelassen wurden, haben noch einen weiteren Vorteil gegenüber anderen Maschinen: Ist das Moped original erhalten oder aus originalen Bauteilen zusammengeschraubt, darf es legal mit einer Geschwindigkeit bis zu 60 Kilometern pro Stunde fahren. „Das geht aber nur, wenn sich auf dem Rahmen des Zweirades noch die originale Nummer ab Werk befindet.“ Und deshalb seien die alten Simsons so begehrt. Das hat mittlerweile seinen Preis. „Heute kostet eine Simson in schlechtem Zustand mindestens 800 Euro“, sagt Parsiegla. Motzt man die auf, ist man schnell bei 2 000 Euro. „Für eine gute Simson zahlen Sie jetzt schon 2 800 Euro, allein für das Material.“

Bis 1991 wurden die „Simmen“ im Suhler VEB Ernst Thälmann produziert. Mittlerweile, sagt Parsiegla, komme man leicht an gute Ersatzteile. Der größte Händler dafür, MZA Meyer-Zweiradtechnik Ahnatal, lässt die weltweit produzieren. „Die Ersatzteile kommen aus China, Tschechien, Polen“, so Parsiegla. Die neuesten Bowdenzüge entstehen aber wieder in Ostdeutschland. „Die werden in Quedlinburg produziert.“ Der Markt wächst also an zwei Enden und wird noch attraktiver: Einerseits sind die alten „Simmis“ wieder beliebter. Andererseits könne man auch gestohlene Originalteile mit Gewinn verkaufen. Zumal auf den wenig regulierten digitalen Markplätzen. Das weiß auch Parsiegla. „Das Internet ist eine Welt für sich.“ Während er mit seinem Angestellten pro Jahr einen höheren fünfstelligen Betrag umsetzt, hätten viele Internethändler mindestens siebenstellige Umsätze.

„Unseriöse Angebote“

Und wie schaut der Fachmann auf das umstrittene Thema Tuning? „Davon lasse ich die Finger“, sagt Parsiegla. „Erstens ist es nicht erlaubt. Zweitens ist mir die Sicherheit meiner Kunden wichtig.“ Am ursprünglichen Zustand der Maschinen dürfe er eh nichts verändern. Sonst sei die Zulassung mit der Sonderregel bis Februar 1992 gefährdet. Natürlich würden viele Hobbybastler an den Simsons herumschrauben. „Das ist nicht schwer, das können viele.“ Es sei aber auch gefährlich. „Wenn man einen original Simson-Motor künstlich hochtunt, dann muss man an das Material ran, dann muss man bohren“, sagt Parsiegla. Das mache die Maschinen anfällig für Unfälle. Gerade im Internet würden sich viele dieser Garagenschrauber tummeln. „Die machen den Kunden unseriöse Angebote und streichen hohe Gewinne ein.“

Enttäuschte Schnäppchenjäger kämen oft in seinen Laden. Erst kürzlich hatte er wieder so einen Fall: Die Bremse war nicht stabil, die einzelnen Baugruppen nicht ordentlich zusammengebaut. Die Kunden müssen dann in seiner Werkstatt noch mal ordentlich investieren, damit die Simson ihren Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer künftig nicht gefährdet. Deshalb kauft er selbst Ersatzteile auch nur bei zertifizierten Händlern. „Sie bieten die beste Qualität und die beste Gewährleistung, wenn es doch mal zu einem Schaden kommt.“ Nicht nur für den Schadensfall sei es sinnvoll, Kassenzettel von Ersatzteilen aufzuheben. Es helfe auch, wenn die Simson doch einmal gestohlen wird und die Versicherung Belege sehen will. Damit das Moped möglichst gar nicht erst geklaut wird, hat Jens Parsiegla noch einen Tipp. „Man sollte immer das Vorderrad gut sichern“, sagt er. Weil das nicht fest ist, könne man sonst das Hinterrad anheben und das Moped leicht wegschieben. Dafür empfiehlt er eine stabile Metallkette. Gute Schlösser gebe es schon ab 50 Euro. Nur das Motorschloss abzuschließen reiche nicht. „Das kann man oft schon mit einem kräftigen Ruck knacken.“ Noch besser sei es allerdings, sagt der Fachhändler, zusätzlich mit einer zweiten Kette auch das Hinterrad zu sichern. „Doppelt hält besser.“ (SZ/mit veb)