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Auf Torejagd

Minderjährige Flüchtlinge spielen beim SV Zeißig Fußball. Für sie und den Verein die normalste Sache der Welt.

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© Gernot Menzel

Von Constanze Knappe

Hoyerswerda. Absie ist ein Naturtalent. Er ist ballverliebt, technisch stark und kann sogar ein bisschen zaubern. SV-Zeißig-Trainer Mario Tröster ist des Lobes voll: „Käme Absie aus Nigeria, dann wäre vermutlich von einem kleinen Okocha die Rede.“ Jenem nigerianischen Nationalspieler Jay-Jay Okocha, der von 1992 bis 1996 in der Bundesliga kickte und inzwischen einen türkischen Pass besitzt. Doch Absie kommt aus Eritrea und nach seinen Vorbildern befragt, verweist der 17-Jährige auf Bayern München. So wie die dort würde er gerne Fußball spielen können, sagt er. Davon träumen etliche Jungs der A- und B-Jugend beim SV Zeißig. Dreimal die Woche trainieren sie. Und das, wenn man so will, seit Kurzem mit internationaler Verstärkung. Absie ist einer davon. Dazu sein Landsmann Mahamud (17) sowie Daha (15) und Abdul (16), beide aus Somalia. Wenn die Vier beim Training in verschiedenen Teams im Jahnstadion Hoyerswerda dem Ball hinterherjagen, scheint das die normalste Sache der Welt zu sein. „Ist es auch“, erklärt Mario Tröster, seit 26 Jahren Übungsleiter beim SV Zeißig. Das Wichtigste für ihn sei, dass die Vier mit Spaß bei der Sache sind, sagt er. Und das merkt man ihnen an. Technisch gebe es keine Probleme und im Offensivbereich erfüllen sie ihre Aufgaben gut, bescheinigt er den Jungs. Dafür hapert es in der Defensive noch. Aber das sei auch bei einigen deutschen Jungs nicht anders.

Mit Händen und Füßen

Seit den Winterferien spielen die Afrikaner beim SV Zeißig Fußball, kommen regelmäßig zum Training. Nicht viel länger als zwei Monate überhaupt sind sie erst in Deutschland. Entsprechend begrenzt sind ihre Möglichkeiten, sich in der deutschen Sprache zu verständigen. Absie kann das von den vieren am besten. Aber auch er nennt als einen großen Wunsch, besser Deutsch sprechen zu lernen. Manches auf dem Spielfeld bedarf keiner großen Erklärung, anderes wird auch mal in Englisch oder zur Not mit Händen und Füßen verständlich gemacht. „Kommandos wie Geh, Pass oder Zurück verstehen sie gut“, sagt Mannschaftskapitän Till Wolthusen. Der 17-Jährige erzählt, dass sich die afrikanischen Jungs ganz gut eingelebt haben und jeden Spaß mitmachen. „Wir sind froh, dass wir sie haben“, fügt er hinzu. Damit sich die Flüchtlinge leichter eingewöhnen, bekommt jeder beim Training oder Spiel einen gleichaltrigen Deutschen zur Seite. So funktioniert manches mit Abgucken. Und es stärkt den Teamgeist. Ist der Ball im Tor, spielt die Hautfarbe des Stürmers eh keine Rolle. Das wissen die Jungs aus Hoyerswerda und Zeißig aus der Bundesliga. Wenn Absie trifft, umso besser, sagen sie.

Bürokratische Mühlen

Als der Sportverein Zeißig angesprochen wurde, ob die minderjährigen Flüchtlinge mittrainieren dürften, sah Mario Tröster kein Problem. So sind unter den 32 Jungs der A- und B-Jugend beim gemeinsamen Training immer auch drei bis sechs Afrikaner. Bei Hallenturnieren waren sie schon mit, auch zu einem Testspiel gegen die Männer aus Lauta. Doch ehe sie bei regulären Punktspielen auflaufen dürfen, wird es wohl dauern. Zunächst hat der Vormund der minderjährigen Flüchtlinge zu erklären, dass er nichts gegen die sportliche Freizeitbeschäftigung einzuwenden hat. Wenn dann alle amtlichen Papiere beisammen sind, muss der Verein die Freigabe beim Sächsischen Fußballverband beantragen. In Zeißig hofft man, „dass die bürokratischen Mühlen ein bisschen schneller mahlen“ und die Spielberechtigungen aus Leipzig nicht allzu lange auf sich warten lassen. Die A-Jugend von Zeißig rangiert auf Platz 4 ihrer Staffel in der Kreisliga und steht im Pokalhalbfinale. Die B-Jugend belegt Rang 6. Von den Bambini bis zur A-Jugend hat der SV Zeißig Mannschaften in allen Altersklassen. „Das muss man als Dorfverein erst mal schaffen“, sagt Mario Tröster. Bei einigen Mannschaften sei das zwar nur in Spielgemeinschaft mit Lohsa, Weißkollm und Bergen gelungen, aber immerhin. Mario Tröster charakterisiert Absie und die anderen Flüchtlingsjungs als freundlich und fleißig. Er und Übungsleiter Patrick Nikielewski wünschen sich, „dass die afrikanischen Jungs alle bei der Stange bleiben“. Leider wisse niemand, was mit ihnen wird, sobald sie volljährig sind. Wenn es nach Absie und Mahamud geht, würden sie gern Automechaniker werden. Mario Tröster könnte sich vorstellen, dass der Verein bei der Suche nach einer Lehrstelle behilflich ist. Wenn sie bleiben dürfen.