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Arm gestorben

Wenn das Geld für die Beerdigung nicht reicht, springt das Sozialamt ein. Bezahlt wird vom Landkreis Görlitz nur das Nötigste.

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© André Schulze

Von Jana Ulbrich und Steffen Gerhardt

Es gibt Fälle, da kommen Marion Grün die Tränen. So wie jetzt, als der weinende alte Mann vor ihr sitzt. So gut wie keinen Cent haben er und seine Frau noch sparen können. Die Jahre im Pflegeheim haben die ganze Rente gekostet. Kinder haben sie nicht. Und jetzt ist die geliebte Frau gestorben. „Sie war doch so ein guter Mensch“, schluchzt der alte Mann. Und leise sagt er, wie sehr er sich schäme, jetzt hier im Sozialamt zu sitzen. Marion Grün lässt dem Mann seine Tränen. „Sie müssen sich nicht schämen“, sagt sie. „Wir finden schon einen Weg.“

Seit Jahren ist die 61-Jährige im Landratsamt Bautzen für die sozialen Bestattungen zuständig. Zu ihr kommen Angehörige, wenn sie kein Geld haben, einen Verstorbenen zu beerdigen. Fast 200 Antragsteller waren es allein im letzten Jahr. 130 Fälle liegen aktuell zur Bearbeitung auf ihrem Tisch. „Es ist oft eine sehr bedrückende Situation“, sagt Marion Grün. Für viele sei es eine große Überwindung, zum Sozialamt zu gehen und um Geld für eine Beerdigung zu bitten. Marion Grün kennt die Möglichkeiten und die Spielräume. „Jeder hat das Recht auf eine würdevolle Bestattung“, sagt sie. „Aber schlicht muss es sein.“ Die meisten Antragsteller würden schon von sich aus das anonyme Urnengrab auf der grünen Wiese wählen. Auf den Friedhöfen ist das die preiswerteste Art der Beisetzung. Aber es gibt auch Ausnahmen, versichert Bautzens Sozialamtsleiterin Peggy Schwarz. „Wenn es in einem einfachen Rahmen bleibt, respektieren wir die Wünsche der Angehörigen.“ Es könne also auch eine Erdbestattung und ein einfacher Grabstein sein. Und ein kleiner, einfacher Blumenschmuck.

Im Landkreis Görlitz folgt man ebenfalls der im Gesetz etwas schwammig formulierten „angemessenen“ Bestattung. „Es werden ausschließlich die Kosten übernommen, die für eine schlichte Erd- beziehungsweise Feuerbestattung unbedingt erforderlich sind“, schreibt das Sozialamt auf Nachfrage der SZ. Vom Sozialhilfeträger nicht übernommen werden unter anderem die Kosten für Trauerbekleidung, Bewirtungskosten und Ausgaben für Traueranzeigen. Auch einen Redner oder einen Musiker aus Steuergeldern zu bezahlen, kommt für das Amt nicht infrage. Hier müssen sich die Betroffenen selbst kümmern – oder sie verzichten darauf.

Die Bestattungskosten werden im Landkreis Görlitz nicht pauschaliert. Die Übernahme der Kosten erfolgt aufgrund des konkreten Einzelfalls. Der Landkreis hat im Jahr 2015 rund 195 000 Euro für 182 bewilligte Anträge ausgezahlt. Ein Jahr später waren es 175 700 Euro für 137 bewilligte Anträge. Aber nicht jeder, der einen Antrag stellt, hat auch Chancen, dass der Staat die Kosten übernimmt. Den 2015 bestätigten 182 Anträgen stehen 217 eingereichte gegenüber. Im Jahr 2016 war das Verhältnis von 137 bewilligten zu 176 eingereichten Antragstellern. Das heißt, jeder vierte Antrag wurde 2016 abgelehnt.

Die Ablehnungen erfolgen aus verschiedenen Gründen, heißt es vom Sozialamt. Dazu zählen beispielsweise, dass das Einkommen des Bestattungspflichtigen ausreichend war oder der Nachlass des Verstorbenen es finanziell ermöglichte, die erforderlichen Bestattungskosten zu tragen.

Rund 200 000 Euro bezahlt der Landkreis Bautzen pro Jahr für Bestattungen. In den letzten Jahren sind die Kosten relativ konstant geblieben, sagt Amtsleiterin Peggy Schwarz. In Fällen, in denen es überhaupt keine Angehörigen gibt, müssen sich die jeweiligen Städte und Gemeinden um die Bestattungen kümmern. Meistens erfolgt die anonyme Urnenbeisetzung auf der grünen Wiese. Alles in allem kostet das pro Todesfall durchschnittlich rund 1 300 Euro. Preiswerter geht es oft nicht.

Viel problematischer sei da der riesengroße Verwaltungsaufwand, den das Landratsamt mit den Anträgen hat: Liegen alle erforderlichen Unterlagen vor, so ergeht der Bescheid des Görlitzer Sozialamtes in der Regel nach sechs bis acht Wochen. Ist jedoch das Erbe ausgeschlagen worden, muss das Nachlassgericht zur Ermittlung der Erben im Rahmen der Amtshilfe beteiligt werden. Auf die Dauer der Verfahren bei den Nachlassgerichten hat das Sozialamt keinen Einfluss. Dabei spielt es keine Rolle, wenn sich der Verstorbene und die Angehörigen im Leben fremd oder zerstritten waren und keinerlei Kontakt hatten. Sie sind sie zur Beerdigung verpflichtet.

Der alte Mann aus dem Pflegeheim kann mit der finanziellen Hilfe des Landkreises Bautzen rechnen. Seine verstorbene Frau wollte auf die Grüne Wiese. Er kann ja ohnehin nicht mehr auf den Friedhof gehen, sagt er.