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Altes E-Werk steht zum Verkauf

Die Stadt will es erwerben und hat einen Plan für Werkstatt und Lager. Doch weil sie zu lange wartete, wird sich der Preis noch einmal verändern.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Radebeul. Das alte E-Werk im Lößnitzgrund kennen fast alle. Von außen. Was drin ist, wissen nur wenige. Das Areal auf insgesamt reichlich 24 000 Quadratmetern Grund steht zum Verkauf. Besitzer ist die Enso. Kaufen will es die Stadt Radebeul. Kurz vor Weihnachten gab es dafür einen Stadtratsbeschluss, in welchem die Verwaltung freie Hand dafür bekam.

In einer Halle sanieren die Traditionsbahner ihre Waggons.
In einer Halle sanieren die Traditionsbahner ihre Waggons. © Norbert Millauer
Am mittleren Gebäude ist das stilisierte Wappen vom Erbauer des E-Werkes (1895), einer Aktiengesellschaft.
Am mittleren Gebäude ist das stilisierte Wappen vom Erbauer des E-Werkes (1895), einer Aktiengesellschaft. © Norbert Millauer
Im Verwaltungsgebäude zeigt sich Jugendstil.
Im Verwaltungsgebäude zeigt sich Jugendstil. © Norbert Millauer

Schon seit 2016 bietet das Stromunternehmen der Stadt die Immobilie an. Der Radebeuler Makler und Gutachter Jens Beck hat im Mai 2014 ein Verkehrswertgutachten erstellt. Heraus kam eine Summe von 575 000 Euro. Nebenkosten noch einbezogen, würde der Erwerb die Stadt 603 000 Euro kosten.

Gut angelegtes Geld, sagt die Stadtratsvorlage aus. Denn die Stadt will hier ihre Lager für die Märkte und Feste aus der sanierungsbedürftigen Halle hinterm Weißen Haus in Serkowitz sowie den Werkstattbereich für die Verkehrsschilder unterbringen. Außerdem wäre auf dem Gelände noch Platz für das zentrale Katastrophenlager, wofür die Stadt schon lange etwas sucht und nicht neu bauen müsste.

Mit dem Erwerb bekäme Radebeul zugleich Sicherheit und Unterstellmöglichkeiten für das angrenzende Areal vom Karl-May-Fest – die Westernstadt Little Tombstone beispielsweise. Ginge der Verkauf an einen anderen Bieter, wären diese Nachbarflächen gefährdet, heißt es in der Begründung zum Stadtratsbeschluss.

Ein dritter wichtiger Punkt: Die Stadt könnte Vereinen weiterhin sicher Platz anbieten, etwa den schon eingemieteten Traditionsbahnern, die gerade am Güterhof in Ost ausziehen mussten. Auch der Modelleisenbahnclub Radebeul-Kötzschenbroda würde hier eine neue Bleibe nach der Kündigung am bisherigen Ort finden.

Finanziell, so die Berechnung der Stadt, würde sich das mit dem Kauf lohnen. Ein Hallenanbau für den Katastrophenschutz an die geplante neue Feuerwache in Ost wird mit 400 000 Euro veranschlagt. Im Areal des alten E-Werks müssten nur Freiflächen überdacht werden.

Außerdem stehen zwei große beheizte Hallen zur sofortigen Nutzung bereit. Eine davon haben die Traditionsbahner bereits zum Reparieren ihrer historischen Wagen angemietet. Die andere könnte für das Unterbringen der Festbuden und Aufsteller dienen. Im Verwaltungsgebäude vom E-Werk ist genügend Platz für Büros der Sachgebietsleitung Feste und Märkte.

Beim Karl-May-Fest müsste keine Miete mehr bezahlt werden. Weitere Räume in den Gebäuden könnten vermietet werden. Selbst an das Einrichten von Wohnungen denkt die Stadt. Mit mindestens 60 000 Euro aus Mieteinnahmen wäre pro Jahr zu rechnen.

Friedrich Ziegler ist bei der Enso als Abteilungsleiter für Liegenschaften des Unternehmens zuständig. Seine Aussage: „Grundsätzlich möchten wir an die Stadt Radebeul verkaufen. Es gibt ja mit Beteiligungsverhältnissen an den Stadtwerken viele Gemeinsamkeiten.“ Außerdem, so Ziegler, sei es von Vorteil, wenn ein Käufer das gesamte Areal in seine Planung einbezieht, statt sich Rosinen herauszupicken.

Allerdings, so der Enso-Mann, wird es nicht beim Kaufpreis von 575 000 Euro bleiben. Seit dem letzten Gutachten 2014 ist eine Wertsteigerung eingetreten. Diese müsse auch bei den Gremien der Enso berücksichtigt werden. Erneut sei Makler Beck mit einem Gutachten beauftragt worden.

Das Gutachten liegt inzwischen bei der Enso vor. Radebeuls OB Bert Wendsche (parteilos): „Wir kennen die neuen Zahlen noch nicht. Es sollten sich zuerst die Gremien der Enso damit befassen.“ Der neue Kaufpreis werde allerdings nicht drastisch nach oben schnellen, so Ziegler, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

Außerdem verwies er darauf, dass es einen weiteren Bieter gibt. Was dieser mehr zu zahlen bereit ist, liege im sehr niedrigen sechsstelligen Bereich.

Das Geschäft scheint sich in jedem Fall zu lohnen. Beim Rundgang zeigte sich, dass sich – bis auf das nördliche Gebäude – alle Immobilien in einem soliden Bauzustand befinden. Das Mauerwerk ist trocken. Die Dächer sind, bis auf Kleinigkeiten, dicht. Allerdings stehen die Gebäude auch unter Denkmalschutz. Nur die Hallen nicht.

Kein Wunder, denn überall begegnet man Gründerzeit und Jugendstil. 1895 wurde auf dem Anwesen der 1538 als Carlowitz-Mühle ersterwähnten Pönitzsch-Mühle durch eine Aktiengesellschaft ein Elektrizitätswerk errichtet. Ab 1896 liefen dort zwei Dampfmaschinen mit je 250 PS, die je einen Einphasen-Wechselstrom-Generator mit 170 kW Leistung betrieben. Damit wurde die Beleuchtung der umliegenden Gemeinden Oberlößnitz, Niederlößnitz, Alt-Radebeul, Serkowitz sowie ein kleiner Teil von Kötzschenbroda versorgt. Über den Gleisanschluss an die schmalspurige Lößnitzgrundbahn kam die Kohle für Dampfmaschinen.

Später gingen die ersten Betreiber pleite. Ein Gemeindeverband, zu dem auch heutige Radebeuler Ortsteile gehörten, betrieb das Elektrizitätswerk weiter. Bis 1962 wurde hier Strom produziert.

Die Gebäude wurden 1991 grundlegend saniert und werden weiterhin genutzt. Heute sind neben den Traditionsbahnern unterschiedliche Gewerbetreibende eingemietet.