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Allein unter Frauen

Deutschlands einziger Synchronschwimmer feiert seine WM-Premiere und freut sich über die Aufmerksamkeit.

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© dpa

Von Daniel Klein, Budapest

Das aufgesetzte Lächeln gehört zum Synchronschwimmen wie das Haargel und die Nasenklammer. Als Niklas Stoepel mit seiner Partnerin Amelie Ebert am Samstagabend zum Beckenrand schreitet, erkennt man in seinem Dauergrinsen aber auch eine große Portion Stolz. Das erste Mal hat es ein männlicher Synchronschwimmer aus Deutschland auf eine WM-Bühne geschafft. Wenn man so will, ist das also ein historisches Ereignis.

Die Kulisse dafür passt. Die Organisatoren haben zwei riesige Tribünen in einem See im Zentrum von Budapest errichtet. Die Besucher blicken auf einen Park – und Gebäude, die aus der Zeit stammen, als Ungarn noch von Wien aus regiert wurde. Fast alle Plätze sind besetzt, 4 500 Zuschauer gekommen, dabei ist es nur ein Vorkampf, den das deutsche Duo als achtes von zehn Paaren beendet. „Vor so vielen Zuschauern sind wir noch nie geschwommen“, staunt Stoepel, als er sich einen Bademantel übergeworfen hat. „Wir sind ja eine Randsportart, wenn man dann so viel Aufmerksamkeit bekommt, ist das ein tolles Gefühl.“

Das kann man auch aufs mediale Interesse beziehen. Eine Handvoll Anfragen bekam der Bochumer in den vergangenen Tagen. Klingt wenig, ist für deutsche Synchronschwimmer aber fast ein Ansturm. Die müssen damit leben, ihren Sport hierzulande quasi außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung zu betreiben. Geschuldet ist das auch der notorischen Erfolglosigkeit – und die hat jetzt Konsequenzen. Im Zuge der Spitzensportreform wurde Synchronschwimmen „als nicht förderungswürdig eingestuft“, wie Stoepel erzählt. „Das kann ich natürlich nicht teilen.“

Der Zeitpunkt für sein Debüt ist also ein eher ungünstiger. Die WM-Reise finanziert zwar der Deutsche Schwimmverband (DSV), der Landesverband Nordrhein-Westfalen bezahlt die vier Starts bei der World Series und überweist dem 25-Jährigen eine kleine Summe – allerdings begrenzt auf ein halbes Jahr. Mehr gibt es nicht. „Meine Partnerin bekam bisher Sportförderung, die wurde jetzt gestrichen“, erklärt Stoepel. „Finanziell wird es also knapp bei uns, und es ist fraglich, ob wir uns einen WM-Start noch einmal leisten können. Das wäre zwar traurig, aber so ist es leider.“ Dabei trainieren sie ähnlich hart wie die Wasserspringer und Beckenschwimmer. Auf 30 bis 35 Stunden schätzt er den wöchentlichen Aufwand fürs Training, nebenbei absolviert er noch ein Maschinenbaustudium, sie ist angehende Ärztin.

Damit sich Stoepel den Traum von einem WM-Start erfüllen konnte, mussten andere lange und hart für die Gleichberechtigung der etwas anderen Art kämpfen. Der US-Amerikaner Bill May zog sogar vor Gericht, um bei Olympia 2004 in Athen starten zu dürfen. Er verlor und trat frustriert zurück. Als das Mixed-Duett 2015 im russischen Kasan dann erstmals bei einer WM ausgetragen wurde, feierte May, der auch in Budapest wieder antritt, sein Comeback und gewann Gold.

Vor zwei Jahren saß Stoepel noch vorm Fernseher, er konzentrierte sich aufs Studium. Das Ziel WM war aber schon damals klar. Mit Acht nahm ihn seine Cousine das erste Mal mit zum Synchronschwimmen. Seitdem ist er fasziniert von diesem Sport, der jahrzehntelang den Frauen vorbehalten war. Ungerecht fand er das und schade. „Mit den Männern kommen mehr Kraft und Hebungen rein“, erklärt er. „Und man kann besser Geschichten erzählen.“ So wie bei ihrer Kür am Montag. Da verkörpern sie ein Paar, das sich zunächst trennt und am Ende doch zusammenfindet. „Mit zwei Frauen wäre das, glaube ich, nicht so überzeugend“, sagt Stoepel und zieht den Vergleich zum Eiskunstlaufen.

Er sieht sich mit seinen Mitstreitern nicht als Konkurrenz zu den Frauen mit ihrer Schminke und den glitzernden Badeanzügen, sondern als Ergänzung. „Wir wurden prima aufgenommen. Ich glaube, man hat gemerkt, dass da bisher etwas gefehlt hat“, erklärt er.

Einen Traum hat er noch, den von Olympia. Allerdings nahm das IOC das Mixed-Duett noch nicht ins erweiterte Programm auf. Damit bleibt Synchronschwimmen neben der Rhythmischen Sportgymnastik die einzige reine Frauen-Domäne. Dass er das diskriminierend findet, muss er nicht betonen, man hört es auch so heraus. Und dann hat Stoepel noch einen Wunsch: Bis auf einige Nachwuchsschwimmer in München sind in Deutschland keine Mitstreiter in Sicht. Das soll sich ändern, damit er nicht mehr allein bleibt unter den Frauen.