Von Heinrich Maria Löbbers
Luther trägt Orange. Der Künstler David Adam hat dem Denkmal eine dieser Warnwesten übergezogen, die zum Symbol der Pegida-Gegenbewegung geworden sind. Die Frauenkirche leuchtet lila, in gelben Buchstaben wird das Wort Liebe auf die Kuppel projiziert. Auch die Fassaden der anderen Gebäude rund um den Platz werden mit Worten wie Nächstenliebe und Vielfältigkeit angestrahlt, rot, blau, rosa. Grün scheint von hinten die Kathedrale. Klare Botschaft: Dresden ist bunt!
Bilder vom Montagabend in Dresden
Dresden in bunt
Zehntausende zeigen das an diesem Abend auf dem rappelvollen Neumarkt. So wie Nils Zippel, der schon nachmittags gekommen ist, um sich einen guten Platz zu sichern. Der 18 Jahre alte Schüler, halb Deutscher, halb Franzose, sagt: „Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass Dresden auch anders sein kann.“ Von einem „Zeichen“ wird noch sehr, sehr viel die Rede sein in den nächsten Stunden. Wird ein wenig überstrapaziert das Wort. Hat wer ein besseres?
„Wir haben hier ein Problem“, attestiert gleich zu Beginn ein Musiker von Banda Communale. Und er fügt gleich hinzu: „Das hat Dresden nicht verdient.“ Es ist der Auftakt zu einer Ermutigung, die die Stadt in einem anderen Licht und Sound erscheinen lässt. Eine Abend, an dessen Ende Herbert Grönemeyer im strömenden Regen fordert, Dresden seine Stärke und Würde wiederzugeben. „Alle für jeden – das ist Deutschland. Und so bleibt das!“ Er befiehlt es beinahe. Der Neumarkt vibriert.
„Dies ist eine Veranstaltung, die das Dafürsein feiert“, sagt Robert Koall, der Chefdramaturg des Schauspielhauses. Und er fügt hinzu: „Das lassen wir uns auch von Bemerkungen des Ministerpräsidenten nicht kaputtmachen.“ Gemeint ist Stanislaw Tillichs jüngste Feststellung, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Den greift auch Hauptinitiator Gerhard Ehninger auf. Der Medizinprofessor hat seine Schwiegertochter mitgebracht, eine Muslima, die er nach Dresden gelockt habe, obwohl manche ihr abgeraten hätten. „Sie gehört jetzt zu Dresden, und deshalb gehört auch der Islam zu Sachsen“, sagt Ehninger. Auch eine deutsche Fahne hat er mitgebracht. „Sie wurde in den letzten Wochen oft missbraucht. Heute wollen wir sie für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schwenken.“
Weit hinten in der Menge steht allerdings auch jemand mit einem ganz anderen Plakat: „Der Islam gehört nicht zu Sachsen, weil er nicht weltoffen ist.“ Gleich daneben hat jemand spontan eine Reaktion dazu gemalt: „Faschistische Kackscheiße“. Man muss wohl auch mal unsachlich sein können. Zwischendurch rufen einige Störer mit zornigen Gesichtern „Wir sind das Volk“. Sie werden ausgebuht.
Dieser bunte, weltoffene Teil Dresdens, der es nicht erträgt, dass die Stadt „zum Synonym für Intoleranz geworden ist“, wie jemand sagt, dieser Teil, er möchte endlich in die Offensive kommen. Und muss sich doch erst mal wieder verteidigen gegen Vorwürfe, hier würden Künstler aus Steuermitteln bezahlt, um Massen anzuziehen. Werden sie nicht. Es würden gar keine Gagen bezahlt, alles andere werde aus Spenden finanziert, betonen die Veranstalter mehrmals. „Wir sind unabhängig von König, Staat und Kirche.“
Allerdings: Dresden braucht offenbar prominente Unterstützung aus dem ganzen Land und Unterstützung von Zugereisten, um „den Arsch hoch und die Zähne auseinander“ zu bekommen. Der Vorwurf, die Leute seien nur wegen der Stars da, liegt in der Luft. Was daran hinkt: Wer wegen Grönemeyer, Niedecken & Co kommt, kann wohl mit Pegida nichts zu tun haben. Es sei denn, er hat sich entweder in der Musik oder in der Demo vertan.
Der singende Schauspieler Christian Friedel macht klar: „Es muss auch möglich sein, ohne Event auf die Straße zu gehen.“ Hier aber ist Event angesagt. Volle Kanne. Dazwischen immer wieder Statements und bewegende Videobotschaften, in denen etwa TU-Studenten von ihren aktuellen Ängsten in der Stadt berichten.
Vier Stunden hat schließlich der durchnässte Neumarkt gewippt, geklatscht, gejubelt. Dresden meint es ernst und hat Spaß dabei. Wie stellte doch die Kabarettistin Annamateur fest: „Das kann dor ni sein, dieses Gehasse jeden Montag!“