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Ära der „Knobelbecher“ bald vorbei

Die Ortsfeuerwehren sollen neue Stiefel erhalten. Die Gemeinde nimmt dafür Geld in die Hand. Möglicherweise ein Jahr zu früh.

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© Kristin Richter

Von Jörg Richter

Priestewitz. Alte, abgenutzte Stiefel gibt es in der Baßlitzer Feuerwehr genug. Ortswehrleiter Sebastian Winkler und sein Vorgänger Gerd Kokisch brauchen nicht lange danach zu suchen. Mit einem Handgriff holen sie aus dem Regal ein Paar heraus, das ganz besonders ramponiert aussieht. Die Gummisohlen lösen sich schon ab. Darunter kommen die eingenähten Stahlsohlen zum Vorschein. Diese Stiefel haben schon lange ausgedient. Aber das trifft eigentlich auf fast alle Stiefel zu, die hier im Gerätehaus stehen.

Nur ein paar wenige Kameraden besitzen schon moderne Stiefel mit Reißverschluss, in die man ganz schnell hineinschlüpfen kann. Sie haben sie sich selbst gekauft, oder aber wie Winkler, der bei der Flughafenfeuerwehr Dresden arbeitet, ein ausrangiertes Paar mitgebracht. Das ist allemal besser als die „Knobelbecher“, wie die Feuerwehrleute ihre alten Lederstiefel nennen. „Die haben wir gleich nach der Wende gekriegt“, erinnert sich Kokisch.

Damals waren sie ein Fortschritt im Vergleich zu den Stiefeln aus DDR-Zeiten. Immerhin haben sie integrierte Stahlkappen und -sohlen. Nach über 25 Jahren ist es schon erstaunlich, wie gut gepflegt manches Exemplar aussieht. „Aber eigentlich kann ich niemanden mehr mit den alten Knobelbechern ins Feuer schicken“, sagt Kokisch. „Wenn man eine Weile drin läuft, fühlen sie sich an wie Steine.“

Doch für die Feuerwehrleute in der Gemeinde Priestewitz gibt es eine gute Nachricht. Bald geht die Ära der Knobelbecher zu Ende. Der Gemeinderat hat in einer seiner letzten Sitzungen den Kauf neuer Feuerwehrstiefel beschlossen. Insgesamt 95 Paar. Damit werden alle sieben Ortsfeuerwehren je nach Bedarf ausgestattet. „Die Bestellungen sind ausgelöst“, bestätigt die Hauptamtsleiterin und zukünftige Bürgermeisterin Manuela Gajewi. „Wir hoffen, dass die Stiefel im Dezember da sind.“

Ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für die Feuerwehrleute? Mit Nichten. „Die Ausrüstung für die Feuerwehrleute ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen“, sagt Sebastian Winkler. Und sein Vorgänger Gerd Kokisch ergänzt: „Wir machen ja die Gesetze nicht. Aber wir müssen drauf achtgeben, dass alle Kameraden nicht nur ordentlich ausgebildet, sondern auch ausgerüstet sind.“ Aus mehreren Modellen durften sich die Feuerwehrleute eins aussuchen. Sie entschieden sich für eine Variante mit einem kombinierten Reißverschluss- und Schnürsystem, die im Einzeleinkauf mehr als 200 Euro gekostet hätte. Wegen der Großbestellung erhielt die Gemeinde reichlich Rabatt. Rund 100 Euro gibt Priestewitz nun pro Paar aus.

50 Prozent gespart. Doch es hätte noch preiswerter kommen können. Denn möglicherweise fördert der Landkreis Meißen ab nächstem Jahr wieder die Neuanschaffung von Feuerwehrausrüstung. Darauf hatte die Kreisbrandmeisterei, die für die Verteilung der Fördermittel zuständig ist, 2016 und 2017 verzichtet. Grund war eine neue Förderrichtlinie des Freistaates Sachsen, durch die bei etwa gleichbleibender Fördermittelsumme weniger Projekte finanziell unterstützt werden konnten.

Die Fördermittel stammen vom Freistaat Sachsen. In diesem Jahr erhielt der Landkreis Meißen 1,5 Millionen Euro für seine Feuerwehren. Wie im Vorjahr folgten die Bürgermeister, der Kreistag und der Kreisfeuerwehrverband Meißen dem Vorschlag der Kreisbrandmeisterei, die begrenzten Gelder nur für Gerätehäuser und Fahrzeuge auszugeben. Anträge auf Ausrüstung konnten nicht berücksichtigt werden.

„Es gibt unbestätigte Signale aus der Landeshauptstadt Dresden, dass es im nächsten Jahr mehr Fördermittel geben könnte“, sagt Kreisbrandmeister Ingo Nestler. Daraufhin habe er die Stadt- und Gemeindewehrleiter aufgefordert, wieder Anträge auf Ausrüstung – dazu zählten auch die Einsatzkleidung – zu stellen. Notwendig sei das in vielen Gemeinden. „Es gibt leider noch zu viele Feuerwehren, die Knobelbecher haben und keine ordentlichen Schnürstiefel“, so Nestler.

Die hoffnungsvolle Ankündigung des Kreisbrandmeisters kommt für die Gemeinde Priestewitz leider zu spät. Sie investiert in diesem Jahr rund 41 000 Euro für Feuerwehrausrüstung. Dazu zählen nicht nur Stiefel, sondern auch Einsatzkleidung, Atemschutzgeräte, Ölbindemittel und Dienstuniformen. „Das ist eine richtig große Bestellung“, sagt Gajewi und weist gleichzeitig darauf hin, dass das auch der Verdienst von Noch-Bürgermeisterin Susann Frentzen ist. „Sie hat sich für die Feuerwehren starkgemacht“, würdigt die designierte Amtsnachfolgerin.

Sehr wahrscheinlich hätte Priestewitz im nächsten Jahr sowieso keine weiteren Fördermittel erhalten. Denn wie Gajewi bestätigt, läuft momentan bereits ein Antrag für ein neues Fahrzeug für die Feuerwehr Kmehlen.