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Achtung, Nichtschwimmer!

Fast jedes dritte Kind kann sich nicht sicher über Wasser halten – trotz Schwimmunterricht in der Grundschule.

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© Symbolbild: dpa

Von Jana Ulbrich und Susanne Sodan

Bautzen/Kamenz. Emma hat schon im letzten Sommer Schwimmen gelernt. Da war sie fünf. Stolz hat sie ihre Seepferdchen-Urkunde mit nach Hause gebracht. Sie schafft jetzt locker eine 25-Meter-Bahn, hat keine Angst unterzutauchen und kann inzwischen sogar einen Kopfsprung. „Wir wollten, dass sie das so früh wie möglich lernt“, sagt Emmas Mutter. „Im Notfall könnte sie sich jetzt zumindest über Wasser halten. Das ist uns wichtig.“ In ihrer Kindergartengruppe ist Emma die einzige, die schon schwimmen – oder sich zumindest ganz gut über Wasser halten kann.

Damit hat die jetzt Sechsjährige aber nicht nur ihren Altersgefährten, sondern selbst manchem Zehn- oder Zwölfjährigen einiges voraus. 30 Prozent aller Kinder im Landkreis nämlich können nicht sicher schwimmen. Diese übereinstimmende Erfahrung von Schwimmmeistern und Rettungsschwimmern der Region bestätigt auch Sebastian Handrick von der Bautzener Bildungsagentur. Dabei gehört Schwimmen doch für alle Grundschüler in der 2. Klasse zum obligatorischen Sportunterricht! Ein Unterricht, mit dem man bei der Bildungsagentur bisher auch zufrieden ist: Es stünden ausreichend Schwimmhallen und ausgebildete Schwimmlehrer zur Verfügung, die Unterrichtsbedingungen seien sehr gut, der Unterrichtsausfall in diesem Fach minimal, sagt Handrick.

Urkunde bestätigt nur Teilnahme

Am Ende bekommt jeder Schüler eine Schwimmnachweis-Urkunde. Die aber sagt nichts darüber aus, ob ein Schüler das Schwimmen auch wirklich richtig gelernt hat. Die Urkunde bestätigt lediglich die Teilnahme am Unterricht. „Auf die Schule allein sollten sich Eltern auf keinen Fall verlassen“, rät deshalb Maike König. Die ausgebildete Schwimmtrainerin betreibt seit Jahren eine Schwimmschule für Kinder und Erwachsene im Bautzener Röhrscheidtbad. Zu ihr kommen vor allem auch Kinder, die Angst vor dem Wasser haben.

„Die Angst ist meistens der Hauptgrund dafür, dass ein Kind nicht schwimmen lernt“, weiß die 35-Jährige. Oft sei das eine reine Kopfsache. Mit manchen Kindern, sagt sie, übt sie ein ganzes Jahr und länger, ehe sie sich überwinden, den sicheren Boden unter den Füßen zu verlassen. In der großen Gruppe einer Schulklasse ist so ein individuelles Trainieren gar nicht möglich, sagt Maike König.

Auch eine Seepferdchen-Urkunde, wie Emma sie vom Schwimmmeister im Freibad bekommen hat, sei noch kein Garant dafür, dass ein Kind sicher schwimmt. „Das Seepferdchen wird oft überschätzt“, sagt David Kupke von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG. „Das Abzeichen bestätigt nur, dass sich ein Kind eine Weile über Wasser halten kann, es besagt nicht, dass es wirklich ordentlich schwimmt.“

Was sicheres Schwimmen bedeutet, erklärt er mit einem klassischen Beispiel: Ein Kind treibt mit der Luftmatratze unbemerkt zu weit auf einen See hinaus, wegen einer Windböe kippt die Luftmatratze, das Kind landet im Wasser. Plötzlich muss es mit mehreren unerwarteten Faktoren umgehen: der erste Schreck, der plötzliche Temperaturunterschied, womöglich auch, dass es mit dem Kopf unter Wasser geraten ist. Und das Ufer ist plötzlich weiter weg als gedacht. „Um mit dieser Situation umgehen zu können, braucht das Kind Orientierungsfähigkeit und ausdauerndes Schwimmen“, erklärt David Kupke.

Eltern sind gefragt

Für die DLRG gelten Kinder erst dann als sichere Schwimmer, wenn sie die Anforderungen für das Jugendschwimmabzeichen in Bronze erfüllen. Dafür müssen sie 200 Meter in 15 Minuten schwimmen, einen Gegenstand aus zwei Meter tiefem Wasser holen und aus einem Meter Höhe ins Wasser springen. Ob ein Kind ein guter oder schlechter, oder sogar ein Nichtschwimmer ist, das liegt zu einem großen Teil an den Eltern. Davon ist Sebastian Handrick von der Bildungsagentur überzeugt. „Die Unterstützung durch die Eltern ist äußerst wichtig.“, sagt er. Er rät zu privaten Besuchen in Hallen- und Freibädern. Bei manchen Kindern ist schon eine einfache Gewöhnung an Wasser hilfreich, das Untertauchen in der Badewanne zum beispiel oder das Überwinden der Angst vorm Duschen. Die sechsjährige Emma hat in drei Wochen Schuleintritt. Schon den ganzen Sommer über übt sie im Freibad für das Bronze-Abzeichen. Ihr Ehrgeiz ist groß, dass sie das in diesem Sommer noch schafft.Auf ein Wort