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Abschied von einer Institution

Die Figaro GmbH schließt ihren Salon auf der Berliner Straße in Görlitz – nach 59 Jahren. Die Mitarbeiter ziehen um.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Görlitz. Drei auf einen Streich. Naja, fast jedenfalls. „Zwei Kolleginnen sind zum Jahreswechsel in den Ruhestand gegangen, eine Dritte geht jetzt Ende Mai“, sagt Tobias Pätzold. Seit Anfang des Jahres ist er der neue Inhaber und Geschäftsführer der Figaro Görlitz GmbH. Durch den Renteneintritt der Mitarbeiterinnen hat er nun ein Problem: Im Salon Berliner Straße 49 sind nur noch fünf Kollegen übrig, in der Jakobstraße 34 nur vier. „Neue Mitarbeiter sind aber schwer zu finden“, sagt er. Also legt er ab Juni beide Salons zusammen. Acht Kollegen arbeiten künftig im Salon Jakobstraße, die Neunte in anderen Filialen. Und der Salon in der Berliner Straße schließt am 1. Juni nach 59 Jahren. Ein Umbau in der Jakobstraße ist nicht nötig, dort ist Platz für alle: „Früher haben dort auch schon einmal acht Kollegen gearbeitet.“

Tobias Pätzold hat selbst von 2005 bis 2008 in Zittau Friseur gelernt. Direkt nach der Ausbildung wechselte er zur Figaro Görlitz GmbH. Und Ende 2016 ging dort auch die bisherige Chefin in den Ruhestand. Der 29-Jährige trat ein schwieriges Erbe an: „Meine Vorgängerin hat seit zehn Jahren nicht mehr ausgebildet und auch schon sehr lange nichts mehr in die bisher sechs Salons investiert.“ Trotzdem möchte er sie nicht kritisieren: „Sie war eben schon älter und hatte auch gesundheitliche Probleme.“ Da sei das schon verständlich.

Trotzdem möchte er jetzt vieles anders machen. „Die Salons lassen sich nicht von heute auf morgen umbauen und renovieren, das ist eine Aufgabe für die nächsten fünf bis zehn Jahre“, sagt er. Beim Thema Ausbildung hingegen legt er sofort los. Schon seit März schnuppert eine junge Frau über ein „Einstiegs-Qualifikationsjahr“ bei ihm in den Beruf hinein. „Sie macht das sehr gut“, sagt der Chef. Deshalb steht auch schon fest, dass sie im August den ersten Ausbildungsplatz erhält. „Und ab nächstem Jahr möchte ich jedes Jahr zwei neue Lehrlinge nehmen“, sagt er. Ausbildung sei unheimlich wichtig, damit das Personal nicht immer weniger wird. Und zwar gute Ausbildung, bei der die Lehrlinge nicht nur Fenster putzen, sondern wirklich etwas lernen. Fertig ausgebildete Leute zu bekommen, sei eher schwierig. „Zwar sucht jeder nach Personal, aber die Fluktuation hält sich trotzdem in Grenzen“, sagt Tobias Pätzold. Die guten Leute haben einen Job und suchen eigentlich nur dann etwas Neues, wenn es innerhalb des Teams Spannungen gibt. Die Bezahlung sei überall halbwegs gleich, darüber lasse sich auch niemand finden. „Ich kann nur damit werben, dass wir hier Schichtdienst haben, also von 8 bis 13/14 Uhr und von 12/13 bis 18 Uhr“, sagt er. Wer also Lust auf einen Sechs-Stunden-Arbeitstag hat, der ist bei der Figaro Görlitz GmbH genau richtig.

Innungsobermeister Karl-Heinz Peter bestätigt die Personalsituation in der Branche. „Ich selbst habe immer ausgebildet, deshalb hatte ich auch niemals Personalsorgen“, sagt er. Doch da, wo das nicht getan wird, sehe es schwierig aus: „Wer nicht ausbildet, denkt nicht zukunftsorientiert.“ Aktuell gebe es im Landkreis 260 Betriebe. Sie bilden derzeit pro Jahr 16 Lehrlinge aus. „Viel zu wenig“, schätzt Peter ein. Bei den ausgebildeten Friseuren sei der Markt zwar nicht leer gefegt, „aber über das Arbeitsamt sind keine Top-Leute zu finden.“ Doch Peter sieht einen Hoffnungsschimmer. Als der Mindestlohn eingeführt wurde, habe fast gar niemand mehr ausgebildet, es gab teilweise nur noch drei Lehrlinge im Jahr. Mittlerweile habe sich die Unsicherheit wieder gelegt, die Ausbildung sei zumindest auf das alte Niveau zurückgekehrt.

Tobias Pätzold will künftig konsequent auf Nachwuchs setzen. Weitere Salonschließungen seien in den nächsten Jahren „definitiv nicht“ geplant. Ab Juni hat er neben dem Büro am Obermarkt noch vier Friseursalons: In der Jakob-, Reichert-, Zittauer- und Wendel-Roskopf-Straße. Letzterer bietet auch Kosmetik an. Zudem gibt es in der Salomonstraße einen fünften Salon, der aber ausschließlich auf Kosmetik setzt. Alle fünf bleiben erhalten. Und auch große Renteneintritts-Wellen sind nicht mehr zu befürchten: „Es gehen noch drei Kolleginnen in Rente, aber verteilt über die nächsten fünf Jahre.“ Das kann über Nachwuchs hoffentlich gut ausgeglichen werden.