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Weiße Anzüge im Dreierpack

Mandy Herold arbeitet in der Herrenabteilung bei Wöhrl. Stress mit dem Sommerschlussverkauf hat sie kaum – aber die Ware muss trotzdem schnell raus.

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© Robert Michael

Von Frances Scholz

Gestylt in den sommerlichen Trendfarben verziehen die Schaufensterpuppen bei Wöhrl keine Miene. Nur eine kann herzlich lachen. Verkäuferin Mandy Herold ist für einen Moment die große Attraktion auf der Prager Straße. Die Leute bleiben stehen und freuen sich über die lebende Schaufensterpuppe. „Solche Aktionen haben wir schon öfter mit Models gemacht, aber ich stand selbst noch nie im Schaufenster“, sagt Mandy Herold.

Momentan lockt an der Glasfassade eine rote 25 mit Schnäppchen. Seit gestern läuft inoffiziell der Sommerschlussverkauf. Obwohl es den gesetzlich vorgeschriebenen Schlussverkauf seit zehn Jahren nicht mehr gibt, werben zwei Drittel aller Händler noch damit. „Das hat sich in den vergangenen Jahren bewährt“, weiß Eberhard Lucas, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen. Denn die Kunden hätten sich an die Begriffe Sommer- und Winterschlussverkauf gewöhnt.

Neue Kollektion schon da

An die Zeit vor der Lockerung des Rabattgesetzes kann sich Mandy Herold noch gut erinnern. Sie hat bei Wöhrl vor 14 Jahren ihre Lehre begonnen und arbeitet seit elf Jahren in der Herrenabteilung. „Damals gab es ja nur die zwei Wochen Schlussverkauf. Das war immer eine stressige Zeit.“ Die Kleidung musste ausgepreist werden. Der Ansturm der Kunden war enorm. Die alte Ware war mit einem Schwung verschwunden und Platz für die neue Kollektion da. „Heute ist es eher ruhig. Vor allem zur Ferienzeit“, sagt die 30-Jährige.

Doch gerade der schnelle Abverkauf der alten Ware ist wichtig. Denn Wöhrl in Dresden besitzt so gut wie kein Lager, sondern nur vereinzelte Stauräume. „Unser Lager ist im Prinzip unsere Verkaufsfläche“, erklärt Geschäftsführer Sascha Krause. Er ist dieses Jahr besonders zufrieden mit den Verkäufen. „Wir haben viel weniger im Bestand als im vergangenen Jahr. Das liegt auch am guten Wetter, deshalb haben die Kunden früher Sommerkleidung gekauft.“ Seit Mai gibt es bei Wöhrl Rabattaktionen. „Wir brauchen Platz für die neue Ware“, sagt Krause. Denn jeden Tag kommt neue Ware. Die Herbst- und Winterkollektion trifft langsam ein und wird in spätestens drei Wochen ausgestellt.

Dass es vielen Händlern so geht, weiß auch Eberhard Lucas vom Handelsverband Sachsen. „Die Händler müssen ihr Lager für die neue Ware frei räumen. Dieses Jahr läuft das aber besonders gut.“ Allerdings seien deshalb die Rabatte nicht ganz so hoch wie im vergangenen Jahr. Damals seien die Händler aufgrund des schlechten Wetters kaum Ware losgeworden, erklärt Eberhard Lucas. Die Kunden kaufen aber nicht nur aufgrund des guten Wetters. Die starke Binnenkonjunktur, eine gestiegene Rente, die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung und das niedrige Zinsniveau sind weitere Gründe, sagt der Experte vom Handelsverband. Er rät Schnäppchenjägern, auch mal in kleineren Städten shoppen zu gehen. „Das könnte sich vom Preis her noch mehr lohnen.“ Viele Geschäfte bieten schon seit einigen Wochen reduzierte Sommerware an. Rabatte bis zu 70 Prozent sind keine Seltenheit. Nun bekommen die Kunden bei Wöhrl die Möglichkeit durch den Sommerschlussverkauf zusätzlich 25 Prozent zu sparen.

In der Herrenabteilung von Mandy Herold spielt das Sparen keine so große Rolle, wenn es um den perfekt sitzenden Anzug geht. Dafür geben die Leute auch etwas mehr Geld aus – und ignorieren weitgehend den Ständer mit den Sonderangeboten. Mandy Herolds geschulter Blick wird täglich benötigt.

„Wir suchen einen Anzug für festliche Anlässe. Wir wollen demnächst auf eine Hochzeit“, sagt eine Kundin, die zusammen mit ihrem Mann bei der großen Auswahl der Anzüge überfordert scheint. „Da finden wir was, kommen Sie mal mit“, sagt Mandy Herold und läuft zielgerichtet auf einen Anzug zu. „Diese hier sind gut geschnitten. Ich schätze, Sie brauchen Größe 52“, sagt die Verkäuferin und greift nach einem anthrazitfarbenen Modell. Das Sakko und die Hose sitzen wie angegossen.

Männer lassen sich gern beraten

Mandy Herold liebt ihren Beruf. Dabei wäre sie fast Anwaltsgehilfin geworden. „Ich hatte den Ausbildungsvertrag schon unterschrieben. Doch dann meldete sich Wöhrl – und ich habe mich dann kurzfristig umentschieden“, erinnert sie sich. Diese Entscheidung hat sie nie bereut. „Ich kann mir keinen besseren Beruf vorstellen. Man ist sicher in dem, was man tut – und kennt sich aus. Der Kontakt zu den Kunden ist schön“, sagt die Radebergerin.

Und manchmal passieren auch lustige Dinge. „Letztes Jahr kamen drei Jugendliche, die nach weißen Anzügen gefragt haben. So was haben wir hier nicht, aber die Vorstellung allein war schon lustig“, erzählt sie. Nach der Lehre fing Mandy Herold direkt in der Herrenabteilung an. „Für mich ist das ein Glücksfall. Es macht mir Spaß, die Männer zu beraten.“ Das hat einen Grund: „Männer gehen, im Gegensatz zu Frauen, einkaufen, weil sie etwas brauchen. Sie lassen sich gern beraten und sind schneller überzeugt, dass ihnen ein Anzug gut steht.“ Frauen überlegten da schon länger, sagt Mandy Herold.

Die Aussicht auf ein Schnäppchen interessiert die Verkäuferin selbst eher wenig. Sie geht nicht gern shoppen. „Ich bin ja den ganzen Tag von Kleidung umgeben, und wenn ich mal was kaufe, dann mache ich das gleich bei uns“, sagt sie. Dann bleibt ihr Zeit für wichtigere Dinge. Zum Beispiel mit ihrem dreijährigen Kind zu spielen.