SZ +
Merken

Notorisch flügellahm

Mitglied bei RB Leipzig zu werden ist ein langwieriges und beinahe unmögliches Vorhaben – ein Selbstversuch.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Daniel Klein

Es beginnt mit einem Text im Fußball-Magazin 11 Freunde, März-Ausgabe. Der Autor beschreibt, wie RB Leipzig konsequent die Vorschriften und Paragrafen der Fußballverbände unterwandert, um ja nicht ein von Mitgliedern regierter Normalo-Verein zu werden. Der Text endet: Man könne „ja mal versuchen, Mitglied zu werden“. Ich fühle mich angesprochen – warum eigentlich nicht? Bisher, so war es überall zu lesen, gibt es neun stimmberechtigte Mitglieder, allesamt Angestellte oder Freunde des Brause-Imperiums Red Bull. Ich will die Nummer zehn werden.

Zuerst schaue ich auf die Internetseite des damals noch Drittligisten. Also dort, wo Vereine normalerweise den Fans erklären, wie man Mitglied werden kann. Bei Dynamo Dresden etwa lädt man sich dort den Antrag herunter, füllt ihn aus, schickt ihn ab und in der Regel vier Wochen später kommt der Ausweis per Post. Bei RB Leipzig ist das ein bisschen anders.

Auf der Homepage findet sich kein Hinweis, nicht mal ein versteckter. Die Botschaft ist klar: Wir wollen keine Mitglieder. Also tippe ich einen formlosen Antrag und schicke ihn an den RasenBallsport Leipzig e. V. – per Einschreiben. Ich erkläre, dass ich die Bestimmungen und Ordnungen des Vereins anerkenne und dass ich ordentliches Mitglied werden möchte. Dieser Zusatz ist wichtig, denn laut Satzung, die ich mir vom Amtsgericht Leipzig besorgt hatte, sind nur die stimmberechtigt.

Es dauert knapp einen Monat, bis RB antwortet. Die Kernaussage: Der Mitgliedsbeitrag kostet 800 Euro pro Jahr, die Aufnahmegebühr 100 Euro, ich soll mich melden, ob ich den Antrag aufrechterhalten möchte. Es ist das einzige persönliche Schreiben, das ich bekomme, das letzte Mal, dass ich etwas höre von RB.

Ich lasse mich nicht abschrecken von dem irrsinnig hohen Betrag, der nur ein Ziel verfolgt – Interessenten abzuwehren. Zum Vergleich: Dynamo verlangt 72 Euro Jahresbeitrag. Ende April schreibe ich zurück, dass ich weiter Mitglied werden möchte, und warte. Ich warte lange, ich warte geduldig, Anfang Juni will ich nicht mehr warten. Ich schreibe erneut und bitte mir zeitnah mitzuteilen, was nun wird aus meinem Antrag. Es passiert – nichts.

Mitte Juli schicke ich eine Mail, schildere meinen Fall, fordere – nun etwas energischer –, mir zu antworten. Und tatsächlich, ich bekomme Post, allerdings nur eine automatische Antwortmail. Zeitnah wolle man antworten, steht dort, unterschrieben mit „beflüüügelten Grüßen“. Zeitnah ist bei RB offensichtlich ein dehnbarer Begriff, vor allem wenn es um Mitgliedsanträge geht. In dieser Beziehung ist RB eher flügellaaahm. Knapp fünf Monate sind insgesamt vergangen, was mit meinem Antrag wird, weiß ich noch immer nicht.

Die Unmöglichkeit, bei RB Leipzig Mitglied zu werden, ist ein Kritikpunkt der Deutschen Fußball-Liga (DFL) beim Lizenzierungsverfahren. Nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga erteilt nicht mehr der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Spielgenehmigung, sondern der Ligaverband. Und der hat einiges auszusetzen an der Satzung. Was genau, will er jedoch nicht sagen. „Zu Inhalten des Lizenzierungsverfahrens äußern wir uns nicht“, erklärte DFL-Sprecher Maximilian Türck der SZ. Hinter verschlossenen Türen wurde lange verhandelt, beide Seiten ließen ihre Muskeln spielen, Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz drohte öffentlich mit seinem Rückzug, die DFL mit der Lizenzverweigerung.

Ende Mai wurde ein Kompromiss gefunden. Die DFL glaubt, ihr Gesicht gewahrt zu haben, weil sie einem Verein, der einzig das Ziel verfolgt, seine Brause zu vermarkten, die Stirn geboten hat. RB wiederum hat ein wenig das Logo frisiert, an der Satzung herumgedoktert, die Vorstände umbesetzt und darf im Gegenzug in der 2. Liga, die am kommenden Wochenende in die Saison startet, mitspielen.

Es sind Veränderungen im homöopathischen Bereich. Der gemeinnützige Verein wird weiterhin vom österreichischen Milliarden-Unternehmen gelenkt, nur hat man dies nun ein bisschen besser kaschiert. Über die am 12. Juni geänderte Satzung stimmten immerhin schon 14 Mitglieder ab. Eine bemerkenswerte Zahl für einen Zweitligisten, Dynamo hat eine Liga tiefer aktuell 14.660.

In der neuen Satzung wurden die schlimmsten Verfehlungen des Vorgängers bereinigt. Anders formuliert: Es wurden Selbstverständlichkeiten aufgenommen. So darf man jetzt gegen einen abgelehnten Mitgliedsantrag Widerspruch beim Ehrenrat einlegen. Und man kann nicht mehr nur, wie bisher, zum 1. Juli eines Jahres eintreten. Neuerdings gibt es eine Fördermitgliedschaft, für die sogar bei Heimspielen mit Flyern geworben wird. Allerdings gibt es eine kleine Einschränkung: Fördernde Mitglieder haben bei den Versammlungen kein Antrags- und Stimmrecht.

Ebenfalls neu ist der Aufsichtsrat. Auf das Kontrollgremium hatte der Klub bisher verzichtet, was logisch erschien, schließlich übernimmt die Aufgaben ohnehin komplett Red Bull. Dem Aufsichtsrat gehört mit Walter Bachinger der bisherige Ehrenrat an. Mit dem Leipziger Ämterhopping verteidigt der Konzern seinen Einfluss, auch wenn in den Gremien jetzt nicht mehr ausschließlich enge Mateschitz-Vertraute sitzen.

Bis 15. Januar, heißt es aus DFL-Kreisen, hat der Verein noch Zeit, ein Mitglieder-Konzept vorzulegen. Und eine neue Beitragsordnung. Vielleicht bekomme ich also doch noch einmal Post aus Leipzig. Und muss für einen Ausweis dann nicht 800 Euro überweisen sowie eine Aufnahmegebühr in Höhe von 100 Euro.